Die evangelischen Schulen in Bayern verbindet, dass sie "das Gute entfalten" wollen. Wie wir das ganz praktisch tun, sehen Sie hier.
Nürnberg – Soziale Berufe haben mehr Anerkennung und Wertschätzung verdient: Diese Botschaft unterstrichen die angehenden Fachkräfte, die Lernenden der Fachakademie für Sozialpädagogik (FakS) Nürnberg, der Berufsfachschule für Altenpflegehilfe und Pflege Nürnberg, der erweiterten Pflegehelferausbildung in Nürnberg sowie der Fachakademie für Heilpädagogik Rummelsberg. „Gute Pflege braucht mehr als Applaus und warme Worte“, „Ohne uns läuft der Laden nicht, wir sind systemrelevant“, prägnante Sätze wie diese fielen auf der Bühne.
Lernende von vier verschiedenen Rummelsberger Schulen haben anlässlich von Aktionstagen in Nürnberg ein abwechslungsreiches Programm rund um das Thema „Vielfalt“ geboten bekommen. Am Dienstag, 19. März, wurde es politisch. Lehrkräfte und Lernende machten ab 14 Uhr am Hallplatz vor lokalen Politiker*innen lautstark auf die Belange von sozialen Berufen aufmerksam.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung wurden jedoch ernste Töne angeschlagen. Karl Schulz, Vorstand Dienste der Rummelsberger Diakonie, sprach in seiner Rede zur Zukunft der Fachkräfte-Ausbildung in Bayern davon, wie wichtig es in Zeiten von Fachkräftemangel sei, alles zu tun, um die Infrastruktur für die Bildung und Ausbildung zu erhalten, zu stärken und auszubauen. „Wir werden nicht müde die Ausbildung hochwertiger Fachkräfte zu sichern“, sagte Schulz und nahm die Politik in die Pflicht. „Das kostet und wir sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen.“
Vor Ort konnten sich die angehenden Fachkräfte zudem mit Politiker*innen austauschen. Verena Osgyan, Mitglied des bayerischen Landtags, die Sozialreferentin der Stadt Nürnberg Elisabeth Ries, SPD-Stadtrat Michael Ziegler, Thomas Zeitler, Vorstand des Kurt-Eisner-Vereins für politische Bildung, und der Vorsitzende der Nürnberger SPD, Dr. Nasser Ahmed, standen Frage und Antwort.
Ein Flashmob in Gebärdensprache zu dem Song „Auf uns“ von Andreas Bourani kehrte während der rund 1,5 stündigen Veranstaltung immer wieder – das animierte Lernende, Lehrkräfte und Interessierte zum Mittanzten. Die politische Botschaft wurde mit Musik, Tanz und Schildern bunt und vielfältig unterstrichen.
Rummelsberg – „Rassistisches und behindertenfeindliches Gedankengut kommt wieder.“ Mit diesem warnenden Satz hat Prof. Dr. Andreas Scheulen am Mittwoch Studierende der Fachakademie für Heilpädagogik konfrontiert. Der Rechtsanwalt verwies auf die Anfrage der Bundestags-Fraktion der Alternative für Deutschland vom März 2018 an die Bundesregierung, in der die Partei unter anderem die Zahl von Menschen mit Schwerbehinderung, die Kosten und einen etwaigen Migrationshintergrund der Betroffenen abgefragt hatte. Rechtsdozent Scheulen hatte auf Wunsch der Studierenden einen Vortrag mit Margret Hamm, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bund der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten, organisiert. Die Studierenden nutzten die Chance, Hamm Fragen zu stellen, und äußerten immer wieder ihr Entsetzen über das, was hunderttausenden Menschen mit Behinderung in der Zeit des Nationalsozialismus (NS) angetan worden ist.
Rund 200.000 Menschen mit Behinderung wurden während des NS ermordet. Weitere 400.000 bis 600.000 Menschen wurden zwangssterilisiert. Das traf, so Prof. Dr. Scheulen einleitend, zum Beispiel Menschen mit Epilepsie, schwer Alkoholkranke, aber auch Personen, die willkürlich von den Nationalsozialisten als „asozial“ eingestuft wurden. Viele der Opfer wurden von Nachbarn oder Bekannten denunziert. Die Nachfahren von Menschen mit Behinderung, die ermordet wurden, nennen sich „Euthanasiegeschädigte“, erklärte Margret Hamm.
Heute leben nur noch 59 Zwangssterilisierte, zur Zahl der Euthanasiegeschädigten gibt es keine Statistik. Allen gemein sei, so Hamm, dass sie jahrzehntelang diskriminiert und in ihrem Leid nicht ernst genommen worden seien. Der Bund der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten sei erst 1987 gegründet worden. Leistungen zur Entschädigung gebe es für Zwangssterilisierte erst seit 1988 und das nur, wenn die Betroffenen Bedürftigkeit sowie eine Schwerbehinderung durch den damaligen Eingriff nachweisen können. Diese Voraussetzung erfüllen aber letztlich so wenige Menschen, dass ein Großteil noch heute auf eine Entschädigung wartet.
Prof. Scheulen betonte die große Verantwortung von Männern und Frauen, die im pflegerischen Bereich tätig sind. „Es ist an Ihnen, Versuchungen zu widerstehen und im Ernstfall zu sagen: ,Da mache ich nicht mit‘“, so der Rechtsanwalt. Denn, so Scheulen, ohne die stillschweigende, bisweilen aktive Mitarbeit des Pflegepersonals im NS wäre die massenhafte Ermordung und Zwangssterilisation nicht möglich gewesen.